Kiefergelenksbeschwerden / CMD (cranio-mandibuläre-Dysfunktion)
Eine schwerwiegende und dabei häufig übersehene bzw. nicht erkannte Störfeldquelle im Sinne eines Herdes stellt die sog. CMD dar, schon dem Namen nach kaum bekannt.
Es handelt sich dabei um eine Stress- und (Ver-)Spannungskrankheit, die sich durch häufiges, nächtliches Aufeinanderpressen der Zahnreihen und durch Knirschen (Bruxismus) mit den Zähnen entwickelt.
Ursächlich für diese für diese Dysfunktion sind meist zwei Faktoren: Zum einen liegt häufig eine ungünstige Bisssituation vor. Beispielsweise aufgrund einer nicht durchgeführten bzw. unglücklich verlaufenen Kieferorthopädie und zahnärztlichen Versorgung, hinsichtlich einer von der Neutralstellung abweichenden Zahnposition, stellen hier die häufigsten Gründe dar.
Der andere Auslöser ist die nächtliche Verarbeitung von Stressfaktoren. Sätze wie „Da muss man sich durchbeißen!“ oder „Beiß die Zähne aufeinander!“ sind durchaus wörtlich zu verstehen. Denn genau das passiert im Unterbewusstsein – sowohl in der Nacht als auch tagsüber z. B. bei konzentrierter Tätigkeit.
Diese Fehlbelastungen laufen über Jahre. Meist toleriert und vom Körper wegreguliert. Es kommt zu scheinbar harmlosen Symptomen wie Kiefergelenksgeräuschen, eingeschränkter Mundöffnung oder gesteigerter Empfindlichkeit der Zähne. Diese Symptome sind jedoch schon Zeichen für mitunter nicht mehr reversibele Schäden an den Gelenk- und verbundenen Weichteilstrukturen.
Allmählich übertragen sich diese Spannungen, solange sie nicht psychisch gelöst werden, auf andere Regionen des Körpers und entfernt liegende Organe. Zunächst ist nur der Kopfbereich betroffen und reagiert nicht selten mit Kopfschmerzen und Migräne ähnlichen Symptomen (vegetative Begleiterscheinungen: Schwindel, Übelkeit, Beeinträchtigung des Sehvermögens, auch die unter „Tinnitus“ bekannten Ohrgeräusche, etc.). Mitunter wird jedoch der Kopf auch öfter „übersprungen“. Da im ganzheitlichen Sinne jedoch beim Kiefergelenk die Wirbelsäule beginnt, führt die nicht physiologische Belastung des Kiefergelenkes immer auch zu Kraftvektoren, die auf den darunter liegenden Bewegungsapparat wirken.
Immer wiederkehrende Blockaden der Wirbel (bis hin zu Bandscheibenvorfällen), des Ilio-Sacralgelenkes, Beckenschiefstand, Gelenkbeschwerden, chronische Verspannungen, Nervirritationen (wie z. B. kribbelnde Hände, Finger, Taubheitsgefühl), Lymphstau und Gesichtsödeme sind häufige Folgen.
Doch über die komplexen Verbindungen des Organismus teilen sich die Belastungen auch anderen Organen mit. Es kann somit zu schwerwiegenden Organstörungen und in der Folge Erkrankungen kommen, die sich solange entwickeln, solange psychischer Stress und Schmerz anhalten.
Geschätzt wird, dass in Deutschland zwischen deutlich mehr als 2 Millionen Menschen als Bruxismus/CMD-Opfer anzusehen sind. Ihr Dilemma: Kaum ein Arzt oder Zahnarzt hat sich näher mit diesem Phänomen beschäftigt. Bei Diagnose und Therapie wird es entsprechend nicht in Erwägung gezogen.
Das Problem kann also nicht auf das Kiefergelenk beschränkt betrachtet werden, in puncto ganzheitliche Zahnmedizin spricht man auch von Ganzkörperfehlstatistik. Folglich ist der ganzheitliche Therapieansatz auch am erfolgsversprechendsten.
Der Schmerztherapeut sollte auch an den Kiefer denken
Bei Patienten mit häufigen Kopfschmerzen lohnt es sich, Kaumuskulatur und Kiefer genau zu untersuchen. Gar nicht so selten steckt nämlich eine Myoarthropathie des Kauapparats hinter den Beschwerden: Wird diese rechtzeitig erkannt und behandelt, können mehr als 90 Prozent der Betroffenen schmerzfrei werden.
Knackende oder reibende Kiefergelenke, ein bewegungsgestörter Unterkiefer, Schliffflächen an den Zähnen und eine druckempfindliche Kaumuskulatur – das sind die Leitsymptome eines mangelhaft funktionierenden Kausystems. Klagt der Patient außerdem noch über Schmerzen, spricht man von einer Myoarthropathie.
Oft knirschen die Zähne
In etwa 90 Prozent der Fälle stecken Dysfunktionen wie Zähneknirschen oder Zähnepressen dahinter, die zentral (durch Stress bzw. Aggression) oder peripher (durch falsch angelegte Füllungen, mangelhaften Zahnersatz, Zahnwanderung oder auch Zahnlücken) bedingt sind. Die chronische Fehl- beziehungsweise Überbelastung führt zum muskulären Hypertonus und so zu den unangenehmen Beschwerden, erklärt Prof. Dr. Dr. A. Hüls, Universitätszentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheflkunde, Göttingen, in der Zeitschrift „Der Schmerz“.
Seltener tritt die Myoarthropathie sekundär als Syndrom einer anderen Erkrankung, zum Beispiel Tumoren der Parotis oder des Kiefergelenks, der Trigeminusneuralgie oder degenerativer Erkrankungen der Wirbelsäule auf.
Will man die betroffenen Patienten wirksam behandeln, muss das pathologische Reflexmuster der Kaumuskulatur unterbrochen und der muskuläre Hypertonus gesenkt werden. Außerordentlich effektiv und gleichzeitig schonend erreicht man dies mit den sogenannten Aufbissbehelfen.
Allerdings sind in der Regel zusätzliche Maßnahmen, wie etwa Kälte- beziehungsweise Wärmeapplikation oder die Selbstmassage der Kaumuskulatur notwendig. In hartnäckigen Fällen kommen auch Ultraschall oder die lokale Infiltrationstherapie in Betracht. Und nur selten ein chirurgischer Eingriff. Selbstverständlich müsse das Gebiss des Patienten in Ordnung gebracht werden, betont Prof. Hüls
In mehr als 90 Prozent der Fälle lässt sich schnell und mit einfachen Mitteln eine Beschwerdefreiheit erreichen. Wird die Diagnose allerdings verschleppt, besteht die Gefahr, dass der Schmerz chronisch wird und die Behandlung letztlich scheitert.
Quelle.- Prof. Dr. Dr. A Hüls et al., Zentrum fürZahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Göttingen